WAZ: Breivik und die Medien

Essen (ots) – Gräueltaten aus den Abgründen des Menschseins sind schwer zu ertragen. Kaum vorstellbar, welche Torturen Mütter und Väter, die Geschwister und Freunde der Opfer des verblendeten Massenmörders Breivik erleiden mussten und jetzt während des Prozesses erleiden müssen. Jeder Prozesstag eine Qual, weil der Mörder auch noch Gelegenheit bekommt, sein krudes Gedankengut auf die Bühne zu bringen. Damit erreicht der Wirrkopf scheinbar auch noch sein Ziel, menschenfeindliches und rechtsradikales Geschwurbel ans Publikum zu bringen, den norwegischen Rechtsstaat vorzuführen und die Medien in Geiselhaft ihrer Sensationsgier zu nehmen. Der Breivik-Prozess ist damit zur Bewährungsprobe der weltoffenen Demokratie Norwegens geworden, einer Demokratie, die es ohne den Rechtsstaat nicht gäbe. Das Rederecht eines Angeklagten gehört zu diesem Rechtsstaat und ist ein Menschenrecht in der Europäischen Union. Selbst eines Angeklagten wie Breivik. Der Prozess ist aber auch eine Bewährungsprobe für die Medien und deren Journalisten, die sich wie bei kaum einem anderen Prozess vorher fragen, welche Bilder und Inhalte sie wie verbreiten oder eben nicht verbreiten. Im Wissen darum, dass Breivik seine Öffentlichkeit auf geradezu perverse Weise genießt. Nicht zu berichten, keine Fotos zu drucken, kann aber keine Lösung für Zeitungen oder TV-Sender sein. Wie es keine Lösung für den Rechtsstaat ist, den Angeklagten das Rederecht zu nehmen. Unsere Aufgabe als Journalisten ist es nicht, zu unterdrücken, unser Aufgabe ist es, zu demaskieren. Es ist die Gratwanderung zwischen Informationspflicht und der Rücksichtnahme auf Angehörige und die von Breivik Geschmähten. Wir ringen in der Redaktion jeden Tag aufs Neue um die richtige Form, gewichten und suchen Fotos aus. Im Falle Breivik zurückhaltend. So werden wir es auch halten, wenn es zum Prozess gegen die Mitglieder der Zwickauer Neonazi-Zelle NSU kommen sollte, auf die sich Breivik beruft. Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Humanität – diese Reaktion des norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg auf die unfassbare Tat war sehr mutig, weitsichtig und die einzig richtige. Fazit: Freiheit auszuhalten war selten schwerer. Mit jedem weiteren Prozesstag wird sich Breivik als das entlarven, was er ist: ein Massenmörder.

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