Handelsabkommen: Reden hilft

Politiker, die Regeln fürs Netz unter sich ausmachen, haben Protest verdient.

Man kann nicht nicht kommunizieren – eine der klügsten Erkenntnisse, die der Menschenkenner Paul Watzlawick der Nachwelt hinterlassen hat. Manche Menschen versuchen es trotzdem, scheitern kläglich und beklagen sich später, wenn ihnen auffällt, dass sie nicht nicht, sondern nur misslungen kommuniziert haben.

So ergeht es in diesen Tagen einigen Politikern in Europa, die glaubten, sie könnten ohne Dialog mit Betroffenen einen Vertrag zusammenbasteln, der mit den Urheberrechtsproblemen im Internet aufräumt. Und den sie ganz still und leise erst durchs EU-Parlament bringen und dann durch die nationalen Parlamente, wo er in scharfe Gesetzesform gegossen werden soll.

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Tatsächlich sind diese Volksvertreter ein bisschen so vorgegangen, als hätten sie im politischen Lehrbuch unter »Wie mache ich aus meinen Bürgern ein paar anständige Wutbürger?« nachgeschlagen. Wer Menschen ignoriert, schätzt sie gering und macht sie eben – wütend. Erst gingen die Menschen in Osteuropa auf die Straße, fürs Wochenende sind Proteste in Deutschland und anderen Ländern angekündigt.

Um es klar zu kommunizieren: Ja, die Urheberrechtsprobleme gibt es. Und ja, sie müssen gelöst werden. Nur eben nicht so.

Geheime Verhandlungen

ACTA ist die Abkürzung für Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ein internationales Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen. Die wichtigsten Mitglieder sind Nordamerika und die Europäische Union. Ziel ist es, solche Verletzungen weltweit verfolgen und ahnden zu können. Seit 2007 wurde auf Ministerebene über das Abkommen verhandelt, allerdings stets hinter verschlossenen Türen. Inzwischen hat der EU-Ministerrat den Abkommenstext veröffentlicht.

Netzsperren durch die Hintertür

Kritiker fürchten, dass mit ACTA künftig Telekommunikationsanbieter gezwungen werden könnten, die Inhalte, die über ihre Leitungen gehen, zu durchsuchen, um beispielsweise Filesharer zu finden – was nach Ansicht der Gegner bedeutete, dass über einen Umweg Netzsperren eingeführt würden. Außerdem gehen die darin enthaltenen Pläne teilweise weit über das in der EU rechtlich Erlaubte hinaus. So gebe es darin Klauseln, die vorsehen, auf der Suche nach illegalen Musikdateien an den EU-Grenzen beispielsweise Reisende zu durchsuchen und Laptops oder MP3-Player zu konfiszieren.

Es beginnt mit dem Namen, der nach staubtrockenen Akten und Archivräumen klingt, die noch lange ohne Internetanschluss auskommen werden: Acta. Die Abkürzung steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement, zu Deutsch: Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktpiraterie. Die Handschrift des Vertrags hat ganz unverkennbar eine mächtige Lobby geprägt: die klassische Unterhaltungsindustrie, die, seit es das Internet gibt, gegen seine Nutzer zu kämpfen hat.

Lange haben die Musik- und Filmkonzerne es verschlafen, selbst legale Wege im Netz zu schaffen, die den Verkauf ihres geistigen Eigentums ermöglichen. Nun, wo es die legalen Wege gibt, ist es legitim, der Produktpiraterie mit Nachdruck Einhalt zu gebieten. Wegen des Eigentumsrechts an sich, aber vor allem, weil es ökonomisch wichtig ist, dass eine kreative Branche im Netzzeitalter finanziell überleben kann.

Allerdings ist es genauso legitim, die Verbreitung von Wissen im Netz als Wert an sich zu verankern. Dieser Aspekt fehlt bei Acta völlig.

Ein Blick in die Präambel des Werks zeigt, dass hier ein paar wenige Staatenlenker und Lobbyisten versuchen, der Netzwelt ihre Weltsicht aufzuzwingen, die zum größten Teil gleichzusetzen ist mit ihren ökonomischen Interessen. »In dem Wunsch« und »In der Absicht« heißt es da mehrfach, immer dreht es sich dabei um den Kampf gegen die Produktpiraten, nie geht es um das Gemeinwohl und die positiven Kräfte, die vom Netz ausgehen. Und die es ebenso verdient haben, geschützt zu werden wie die finanziellen Interessen der Old Economy. Der barrierefreie Zugang zu Bildung ist ein hohes Gut, das bei Acta keinen Platz hat. Dieser Versuch von Nichtkommunikation ist ebenfalls ignorant.

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  1. Sattelt die Pferde, erhebt die Stimmen und geht auf die Straße!

  2. Bei der Finanztransaktionssteuer oder Klimaschutzvereinbarungen fordern unsere deutschen Politiker zur Resignation auf, weil eine internationale Verständigung nicht zu erzielen sei, aber ein internationales Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen geht schnell und glatt durch alle Instanzen?

    Da zeigt sich doch mal, was mehr zählt: der Zorn der Wutbürger wird eiskalt ausgesessen, aber vor Lobbyisten wird gekuscht.

  3. da fragt man sich doch glatt wer denn der souverain in einer demokratie ist, das volk oder die lobies. aber wahrscheinlich ist eine lobi demokratie wesentlich marktkonformer 🙂

    • mczakk
    • 10.02.2012 um
      15:52 Uhr

    … wie der Artikel die “Verantwortlichen” darzustellen versucht ist das leider nicht.
    Darf Kalkül dahinter vermutet werden?
    Wenn Acta durchkommen würde, wäre ein Zensiertes-Netz Wirklichkeit, was den unschuldigen und ahnungslosen Mächtigen recht kommen würde.

    Aber nächstes mal versucht man es halt mit reden …

    tztz

    • WiKa
    • 10.02.2012 um
      16:00 Uhr

    … schade dass es erst des Druck von der Straße bedurfte unsere Politiker erkennen zu lassen was das Volk will. Es zeugt von einer schlechten Qualität der Politiker und eben der Lobbyhörigkeit. Aber dies wird mit Sicherheit nicht das letzte Husarenstück in Sachen Hintergehung gewesen sein. Man muss es immer nur umdeuten und zurechtbiegen und da ist unsere aktuelle Regierung ein Musterschüler in Sachen Verdrehung des Volkswillens. Hier in einer kleinen Glosse dargestellt wie man sowas umdeutet, anhand von Protest (Pro-Test), kleine Wortspielerei: https://qpress.de/2010/11/…

    • ThorHa
    • 10.02.2012 um
      16:00 Uhr

    Ich weiss es nicht. Aber ich bezweifle es. Wer an einer etwas gründlicheren (und im Ergebnis kritischen) Analyse von einem klaren Befürworter des “freien” Internet interessiert ist:
    https://www.ferner-alsdorf…
    DAS ist eine Analyse. Die Qualität des Meinungsartikels von Frau Marohn mag danach jeder selbst bewerten.

    Der Basistrick für jeden guten Zauberer: Lenke die Aufmerksamkeit des Zuschauers/Lesers auf Unwichtiges, dann kannst du ihm unterjubeln, was du willst.

    Der verlinkte Anwaltstext macht es allerdings nicht annähernd so bezaubernd, wie ein guter Scharlatan das machen würde.

    ACTA ist als internationales Handelsabkommen schon alleine deswegen abzulehnen, weil bei den geheimen Verhandlungen außer den führenden Industrieländer und den Wirtschaftsvertretern nur Jordanien, Marokko, Mexiko als unterentwickelte Alibiländer zugegen waren. Keine Verbrauchervertreter.

    ACTA umging absichtlich die WTO, weil die Entwicklungsländer sich dort inzwischen zu gut positioniert haben.

    Mit ACTA sollen alte WTO-Tricks wiederholt werden:
    1) Zuerst ein Vertragswerk im Sinne der entwickelten Länder etablieren.
    2) Später einzelne Entwicklungsländer zum Beitritt erpressen, wenn sie akute Hilfe brauchen.

    Wer sich gerne von Anwälten schwindlig quatschen lässt, oder sich gerne ein X für ein U vormachen lässt, sollte Ihren Link unbedingt goutieren.

    (Vielleicht könnte die Redaktion das erste des Doppelpostings entfernen.)

    Der Basistrick für jeden guten Zauberer: Lenke die Aufmerksamkeit des Zuschauers/Lesers auf Unwichtiges, dann kannst du ihm unterjubeln, was du willst.

    Der verlinkte Anwaltstext macht es allerdings nicht annähernd so bezaubernd, wie ein guter Scharlatan das machen würde.

    ACTA ist als internationales Handelsabkommen schon alleine deswegen abzulehnen, weil bei den geheimen Verhandlungen außer den führenden Industrieländer und den Wirtschaftsvertretern nur Jordanien, Marokko, Mexiko als unterentwickelte Alibiländer zugegen waren. Keine Verbrauchervertreter.

    ACTA umging absichtlich die WTO, weil die Entwicklungsländer sich dort inzwischen zu gut positioniert haben.

    Mit ACTA sollen alte WTO-Tricks wiederholt werden:
    1) Zuerst ein Vertragswerk im Sinne der entwickelten Länder etablieren.
    2) Später einzelne Entwicklungsländer zum Beitritt erpressen, wenn sie akute Hilfe brauchen.

    Wer sich gerne von Anwälten schwindlig quatschen lässt, oder sich gerne ein X für ein U vormachen lässt, sollte Ihren Link unbedingt goutieren.

    (Vielleicht könnte die Redaktion das erste des Doppelpostings entfernen.)

  4. Demoaufruf Berlin

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