DER STANDARD-Kommentar: "Dornröschen reibt sich die Augen" von Michael Völker

Die Grünen suchen ein Thema und stolpern dabei über den Euro-Rettungsschirm // Ausgabe vom 27.03.2012

Wien (ots) – Stefan Wallner freut sich auf Facebook über seine zweitausendste Freundschaft. Mehr Aufmerksamkeit braucht er offenbar nicht. Wer ihn nicht kennt: Wallner ist der Bundesgeschäftsführer der Grünen. Er wirkt eher nach innen. Wie übrigens die meisten Grünen. Auch von Eva Glawischnig hat man schon länger nichts gehört. Sie ist die Bundessprecherin, vielleicht aber gerade auf Urlaub. Das kann man von Peter Pilz so nicht behaupten, der war mit dem parlamentarischen U-Ausschuss zuletzt recht präsent. Ob das die Grünen weiterbringt, ist fraglich. Dass die Grünen als einzige Partei keinen Dreck am Stecken haben, kein Geld genommen, verschoben oder verschleiert haben, ist richtig. Aber sie können das Thema nicht “verkaufen”. Es “fahrt” nicht, wie man so sagt. Jetzt aber Werner Kogler: Die Grünen werden dem Euro-Rettungsschirm nicht zustimmen, sie werden bei der Ratifizierung des EU-Vertrags nicht mitmachen. Kogler und die Grünen zeigen der EU also den Stinkefinger. Das wird die EU nicht sehr beeindrucken. Auch ohne Grüne wird der Fiskalpakt beschlossen werden. Und wenn doch nicht, dann wird es nicht an den Grünen gelegen sein. Die drängendere Frage – aus Sicht der Grünen: Beeindruckt es denn die österreichischen Wähler? Bei den Grünen gibt es zwei Fraktionen: Der ersten gehören jene an, die sich mit der Oppositionsrolle abgefunden haben, die davon überzeugt sind, in aller Unauffälligkeit gute Arbeit zu machen, die sich freuen, wenn sie auf das letzte Ergebnis (10,4 Prozent bei der Nationalratswahl 2008) noch etwas drauflegen und wenigstens die guten Umfragewerte (ca. 13 Prozent) heimbringen können. Das scheint bei den Grünen die große Mehrheit zu sein. Opposition forever. Und dann gibt es die zweite kleine Fraktion, deren Vertreter meinen, man müsse alles probieren, jede Barrikade erklimmen, jedes Thema besetzen und zuspitzen, Krawall schlagen, die Argumente bis zur Erschöpfung vortragen. Man müsse stark genug werden, um eine Regierungsbeteiligung zumindest am Papier möglich zu machen. Man müsse sich bemühen und wollen. Eine Minderheit. Ob EU-Bashing zielführend ist, um das Wollen anschaulich zu machen, wird an den Argumenten liegen. Dass nur die Bürger die Zeche der Schuldenkrise zahlen, ist in der Tat ungerecht. Die Frage ist, wie man den Finanzsektor stärker einbeziehen kann. Österreichs Regierung allein wird die Finanztransaktionssteuer nicht erzwingen können, deshalb mag es fragwürdig erscheinen, ausgerechnet Werner Faymann, der ohnedies ein Verfechter der Finanztransaktionssteuer ist, in Geiselhaft zu nehmen. Aber die Grünen hätten immerhin ein Thema und setzen einen Hebel an. Ob der auch bei den Wählern greift, wird daran liegen, wie glaubwürdig und konsequent sie ihr europäisches Engagement kommunizieren. Sowohl die Finanztransaktionssteuer als auch den Schuldenschirm kann man inhaltlich aufarbeiten, das braucht man nicht der FPÖ alleine überlassen. Gewählt wird in einem Jahr – ob im Frühjahr oder Herbst, wird man sehen. Zeit für die Grünen, aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen, die Hände aus dem Schoß zu nehmen und Themen zu besetzen, sie offensiv und kontroversiell zur Diskussion zu stellen – auch auf die Gefahr hin, dass die Grünen in ihrer andächtigen Ruhe gestört werden und sich ein paar Prozente bewegen könnten.

Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: https://www.ots.at/pressemappe/449/aom

 

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