Badische Neueste Nachrichten: Unentbehrlich

Karlsruhe (ots) – Nicht nur in der Ehe ist das siebte Jahr häufig das verflixteste, sondern auch in der Politik. Helmut Schmidt, zum Beispiel, muss 1981 mit ansehen, wie in Deutschland Hunderttausende gegen seine Politik der kontrollierten Nachrüstung protestieren und auch seine eigene Partei allmählich von ihm abrückt. Ein Jahr später ist die sozialliberale Koalition am Ende. Helmut Kohl wäre nach sieben Jahren als Kanzler 1989 um ein Haar von Lothar Späth, Ernst Albrecht, Heiner Geißler und Rita Süßmuth aus dem Amt geputscht worden. Ihn rettet lediglich die Unfähigkeit seiner Gegner, ihre Pläne geheim zu halten. Ein Jahr später ist die Mauer gefallen – und Kohl der Kanzler der Einheit. Angela Merkel ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Nach sieben Jahren als Regierungschefin kann es in Deutschland allenfalls noch Günther Jauch an Popularität mit ihr aufnehmen. Beim Parteitag der CDU, der am Montag in Hannover beginnt, muss sie keine innerparteilichen Widersacher fürchten und auch keinen größeren Streit über Programme und Positionen. So kurz vor der Wahl in Niedersachsen hat die Kanzlerin ihrer Partei größtmögliche Harmonie verordnet – und die folgt ihr bereitwillig. Jeder Christdemokrat weiß: Die aktuellen Umfragewerte hat die Union vor allem Angela Merkel zu verdanken. Zwölf Jahre Parteivorsitzende, sieben Jahre Kanzlerin – und weit und breit kein potenzieller Nachfolger und keine potenzielle Nachfolgerin in Sicht. In ihrer unaufgeregten, abwartenden Art hat Angela Merkel sich mit der Zeit unentbehrlich gemacht in der CDU. Nach dem verflixten siebten Jahr im Amt ist die Kanzlerin mächtig wie nie. Auf den Tag nach Angela Merkel, so fern der noch sein mag, ist die CDU allerdings nur unzureichend vorbereitet. Sozialministerin Ursula von der Leyen gilt zwar als gefühlte Nummer zwei der Partei und traut sich auch das Kanzleramt zu – ihr eher sozialdemokratisches Verständnis von Politik aber empfinden schon jetzt viele Konservative als Verrat an den eigenen Prinzipien. Andererseits erweitert genau dieses pragmatische, weitgehend ideologiefreie Denken den strategischen Spielraum der Union enorm. Politik ist für Angela Merkel keine Frage des Standpunktes, sondern die Kunst des Möglichen.

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